Chirurgische Praxis Dr. Welk und Dr. Bultmann

Kubitaltunnelsyndrom und Loge de Guyon Syndrom

(= Ellennervenrinnensyndrom, Sulcus ulnaris Syndrom)

Definition

Das Kubitaltunnelsyndrom ist das zweithäufigste periphere Nervenengpasssyndrom. Die Nervenstämme durchlaufen an den Extremitäten natürliche Eng­stellen. Kommt es in einem solchen Bereich zur weiteren Einengung, entsteht am betroffenen Nerven ein Druckschaden. Man spricht dann von einem peripheren Nervenengpasssyndrom. Das Geschehen kann sich akut entwickeln, meist entsteht es jedoch allmählich über einen längeren Zeitraum. Je nach Fasern des betrof­fenen Nerven - motorisch, sensibel oder gemischt motorisch-sensibel - kommt es zu ent­sprechenden Ausfallserscheinungen: Pelzigkeitsgefühl, Muskelverschmächtigung oder Kraftminderung.

Der Ellennerv (N. ulnaris) ist, neben dem Mittelnerv (N. medianus) und dem Speichennerv (N. radialis), einer der drei großen Nerven des Armes. Der Ellennerv vermittelt das Gefühl für die Ellenseite des Ringfingers und des gesamten Kleinfingers sowie für den Kleinfingerballen und den ellenseitigen Handrücken. Von seiner Funktion sind die Beugung der Finger in den Grundgelenken und die Streckung der Finger in den Mittel- und Endgelenken, sowie das An- und Abspreizen der Finger und das Heranführen des Daumens an die Hand abhängig.

Beim Kubitaltunnelsyndrom wird der Ellennerv in seinem Verlauf am inneren Rand des Ellenbogens eingeengt. Oft liegt die Einengung in seinem bogenförmigen Verlauf in einer Knochenrinne (Sulcus ulnaris). Die Einengung kann jedoch auch weiter am Unterarm, wo der Nerv in die Unterarmmuskulatur eintritt, oder weiter am Oberarm auftreten. Eine Sonderform ist das Loge de Guyon Syndrom - die Einengung des Nerven am Handgelenk, s. unten. Die Knochenrinne am Ellenbogen wird im Volksmund auch als „Musikantenknochen“ oder „Mäuschen“ bezeichnet. Der durch das Stoßen dieser Region ausgelöste und in den Unterarm ausstrahlende Schmerz entsteht durch die Prellung des Nerven.

Entstehung

Die Ursache der Einengung des Ellennerven ist ein Missverhältnis zwischen der Größe der Knochenrinne, durch die der Nerv läuft, und der Größe des Nerven. Dieses Missverhältnis kann durch eine allgemeine Schwellung des Gewebes im Kanal oder auch durch eine Verdickung des Nerven bedingt sein, die durch wiederholte Druckschädigung des Nerven auftreten kann. Häufig bleibt die Ursache aber auch unklar. Selten findet man spezifische Ursachen, wie zum Beispiel eine Veränderung des Ellenbogengelenkes durch Brüche, Ausrenkungen des Gelenkes, Achsfehlstellungen oder abnutzungsbedingte Veränderungen mit Kalkab­lagerungen im Bereich der Rinne. Ebenfalls selten führen wiederholte Ausrenkungen des Nerven aus der Rinne zu einer Verdickung des Nerven und damit zu einem Missverhältnis. Auch Geschwülste, eine Ausstülpung der Gelenkkapsel (sog. Ganglion), freie Gelenkkörper oder Schwellungen des Gelenkes bei Rheuma können Ursachen für die Einengung sein.

Symptomatik

Die Frühsymptome sind Kribbeln und Taubheit des Ring- und Kleinfingers und des ellenseitigen Handrückens, wobei am Ringfinger nur der halbe Finger betroffen ist. Bei länger bestehender Einengung kommt es zu einer Lähmung der Handbinnenmuskulatur mit Schwäche der An- und Abspreizung der Finger, der Heranführung des Daumens an die Hand mit Schwäche des Spitzgriffes sowie einer Schwäche beim Faustschluss mit dem Ring- und Kleinfinger. Das Schwinden der Muskulatur ist besonders zwischen Zeigefinger und Daumen eindrucksvoll. Es können auch Schmerzen an der Innenseite des Ellenbogengelenkes bestehen, die in Richtung Hand und Schulter ausstrahlen.

Schreitet die Erkrankung fort, kommt es zu einer Verschmächtigung des Kleinfingerballens und der Muskulatur an der Mittelhand zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Endstadium ist die sogenannte Krallenhand, bei der die Streckung des Ring- und Kleinfingers nicht mehr vollständig möglich ist.





Diagnostik

Ergibt die klinische Untersuchung den Verdacht auf ein Kubitaltunnelsyndrom, ist eine Untersuchung beim Facharzt für Neurologie erforderlich. Dieser führt eine sogenannte elektro­physio­logische Untersuchung durch, bei der die Leitgeschwindigkeit des Nerven im Vergleich mit der Gegenseite gemessen wird. Anhand der Messwerte und der nachgewiesenen Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeit kann die Notwendigkeit zur Operation eingeschätzt werden. Auch sonographisch kann man die Einengung des Nerven in der Rinne darstellen. Liegt bei dem Patienten eine Veränderung am betroffenen Ellenbogen vor, ist auch eine Röntgenuntersuchung des Gelenkes erforderlich. Eine Kernspintomographie (MRT) ist in der Regel nicht notwendig.

Behandlung

Eine konservative Therapie kann in frühen Fällen eine Linderung bewirken. Hierbei sollte eine starke Beugung des Ellenbogengelenkes vermieden werden. Besonders nachts ist es ratsam, das Ellenbogengelenk durch eine Schiene in Streckstellung zu halten. Tagsüber sollte der Ellenbogen nicht aufgestüzt werden.

Bei der Operation gibt es zwei Operationsmethoden:

Offene Operation:

Bei der offenen Operation wird an der Innenseite des Ellenbogengelenkes je nach Größe der operation ein etwa 4-10 cm langer Schnitt angelegt. Der Nerv wird auf Einschnürungen untersucht und gegebenenfalls daraus befreit. Wenn der Nerv beim Bewegen des Ellbogengelenkes keine Tendenz hat, aus seiner Rinne herauszugleiten, kann er in seiner natürlichen Lage belassen werden. Anderenfalls muss er langstreckig in die Ellenbeuge verlagert werden. Nach Verschluss der Wunde und Anlage eines Verbandes wird eine Oberarmgipsschale angelegt. Diese wird zwei Wochen belassen. Die Fäden können nach zwei Wochen ebenfalls entfernt werden.

Endoskopische Operation:

Bei der so genannten Schlüssellochtechnik wird nur ein Hautschnitt von 2 cm angelegt.

Unter der Haut wird der Nerv unter ständiger Sicht mit Hilfe einer Optik und langen, dünnen Instrumenten von seinen Einengungen befreit, was sogar langstreckiger möglich ist als bei der offenene Operation. Ein Umsteigen auf eine offene Operation z.B. bei schlechten Sichtverhältnissen, ist so gut wie nie erforderlich. Nach der Operation wird nur ein Verband angelegt, der Arm darf wieder frei bewegt werden und sollte nur noch in der Nacht für 14 Tage in Streckstellung gelagert werden.



      

Ergebnisse

Die Erholung des Nerven kann bei leichten Druckschädigungen rasch erfolgen, innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen. Bei ausgeprägten Schädigungen kann sie bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Wenn bereits eine Muskelatrophie eingetreten ist, bilden sich die Symptome oft nicht mehr vollständig zurück. Bei der endoskopischen Methode ist die Erholung des Nerven etwas schneller als bei der offenen Operation und die Arbeitsunfähigkeit deutlich kürzer.

Komplikationsmöglichkeiten

Neben den allgemeinen Risiken wie Bluterguss, Schwellung und Wundinfektion besteht ein kleines Risiko der Verletzung des Nerven bei der Operation, was in unserer Praxis noch nicht vorgekommen ist. Nach der Operation muss darauf geachtet werden, dass die Beweglichkeit des Ellenbogengelenkes schnell wieder uneingeschränkt möglich ist.

Loge de Guyon Syndrom

hierbei handelt es sich um die Einengung des Ellennerven am Handgelenk vor Eintritt des Nerven in den Kleinfingerballen. Ursächlich sind oft chronische Überlastungen, die zu Verdickungen des Bindegewebes führen oder Ganglien (Überbeine) im Nervenkanal. Oftmals findet sich als erstes Krankheitszeichen eine Schwäche der kleinen Handmuskeln; der Patient lässt ständig Gegenstände fallen. Gefühlsstörungen im Bereich des vierten und fünften Fingers können ebenfalls bestehen. Schmerzen sind eher selten. Die Therapie besteht immer in der operativen Freilegung und Entlastung des Nerven unter Entfernung eines eventuell vorhandenen Ganglions. Eine endoskopische Operation ist in diesem Fall nicht möglich. Die Normalisierung der neurologischen Veränderungen - insbesondere der Muskelschwäche - kann mehrere Monate in Anspruch nehmen.

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