Chirurgische Praxis Dr. Welk und Dr. Bultmann

Strecksehnenverletzung am Endgelenk

Definition

Bei Strecksehnenverletzungen im Bereich des Endgelenkes eines Fingers kann dieses nicht mehr aktiv gestreckt werden. Die Verletzung kann offen oder geschlossen erfolgen.

Entstehung

Als Ursachen kommen bei offenen Durchtrennungen Schnittverletzungen durch mehr oder weniger scharfe Gegenstände in Betracht (Messer, Konservendose, Glasscherbe). Bei geschlossenen Verletzungen besteht keine Hautverletzung, die Strecksehne ist unter der Haut gerissen. Dies tritt bei einer gewaltsamen, unvorhergesehenen Beugung im Endgelenk auf. Es handelt sich häufig um geringe Gewaltanwendungen, wie z. B. Einstecken des Bettlakens neben die Matratze oder Hängenbleiben des Fingers in der Kleidung.

Symptomatik

Schnittverletzungen bzw. offene Wunden über der Streckseite des Endgelenkes können hinweisend sein. Bei geschlossenen Verletzungen können sowohl Druckschmerz, als auch Schwellung und/oder Bluterguß auftreten. Sowohl bei offenen als auch geschlossenen Verletzungen kann das Endglied bei kompletter Durchtrennung der Strecksehne nicht mehr aktiv gestreckt werden und bleibt spontan in etwa 40°-60° Beugestellung trotz Kraftanstregung. Bleiben Teile der Strecksehne erhalten, so fällt die Beugestellung geringer aus (etwa 20°).

Diagnostik

Neben der klinischen Untersuchung sollte immer auch eine Röntgenuntersuchung zum Ausschluß einer knöchernen Beteiligung stattfinden. Bei der geschlossenen Verletzung kann die Sehne am Ansatz des Knochens oder mit einem Knochenstückchen abreißen. Entsprechend muss die Therapie gewählt werden.

Behandlung

Bei der offenen Schnittverletzung sollte eine sofortige operative Therapie erfolgen. Hierbei wird die Sehne genäht. Je nach Stabilität der Sehnennaht kann eine zusätzliche zeitweilige Fixierung des Endgliedes erfolgen, indem ein Metallstift durch das Endgelenk gebohrt wird, der nach 6 Wochen wieder entfernt wird.
Die Nachbehandlung sieht für 6 Wochen eine Ruhigstellung mittels Fingerschiene bis zur gesicherten Wundheilung, dann mittels Kunststoffschiene vor, die das Endgelenk in gerader Position oder leichter Überstreckung hält und das Mittelgelenk frei beweglich läßt.

Bei der geschlossenen Verletzung ist ist die konservative Therapie die Therapie der Wahl, d. h. es wird nicht operiert, sondern das Gelenk mit einer Kunststoffschiene (Stack’sche Schiene) für 6-8 Wochen ruhiggestellt. Die Schiene ist dabei in gerader Stellung oder leichter Überstreckung (ca. 10°) anzubringen. Es ist ratsam eine individuell angepaßte Schiene zu modellieren, da vorgefertigte Schienen meistens nicht optimal passen. Die Schiene muss ständig getragen werden. Wird sie zur Hautpflege abgenommen, so muß der betroffene Finger entweder mit Hilfe eines anderen Fingers unterstützt werden oder gerade auf einer ebenen Unterfläche liegen (z. B. Tischplatte), der Finger darf nicht „frei in der Luft hängen“. Auch nach Abnahme der Schiene nach 6-8 Wochen sollten zunächst noch kraftvolle Beugungen im Endgelenk vermieden werden und die Schiene bei körperlicher Arbeit oder in der Nacht zum Schutz noch für 2 Wochen angelegt werden. Ein operatives Vorgehen bei geschlossenen Strecksehnenabrissen hat keine größeren Erfolgsaussichten gegenüber dem konservativen Vorgehen, sondern bringt zusätzlich die Gefahren einer Operation (z. B. Infektion, Wundheilungsstörungen), außerdem ist eine ebensolange Ruhigstellung wie bei konservativer Vorgehensweise nötig.

Auch bei knöchernem Strecksehnenausriss kann bei einem kleinen Knochenbruchstück und geringer Dislokation (das Knochenbruchstück ist nur wenig verschoben) oben erwähntes konservatives Vorgehen angewandt werden. Jedoch ist vor allem bei größeren Knochenbruchstücken ein operatives Vorgehen sinnvoll. Das Knochenstückchen kann sowohl mit Schrauben als auch mit Metallstiften wieder an Ort und Stelle platziert werden. Ist das Knochenbruchstück zu klein und die Operation erforderlich (bei offener Verletzung), kann es auch entfernt werden und die Strecksehne direkt am Knochen wieder fixiert werden. Die Nachbehandlung ist gleich wie oben.

Unbehandelte, veraltete Strecksehnenabrisse führen in Höhe des Endgelenkes zu einer Schwanenhalsdeformität, d.h. zu einer Überstreckung im Mittelgelenk bei Beugung im Endgelenk. Operative Korrekturen sind möglich, wobei hier ganz verschiedene Verfahren zur Anwendung kommen mit ähnlicher Nachbehandlung wie oben.

Als letzte Möglichkeit ist auch eine Versteifung des Endgelenkes in funktionsgerechter Stellung (10°-20° Beugung) möglich.

Ergebnisse

Werden Strecksehnenverletzungen sofort und konsequent behandelt mit guter Mitarbeit des Patienten, so können sie folgenlos ausheilen. In den meisten Fällen ist jedoch nicht die ursprüngliche, volle Spannung der Strecksehne wiederherstellbar, so dass eine leichte Beugestellung im Endgelenk von 10° zurückbleibt.

Komplikationsmöglichkeiten

Wird eine Strecksehnenverletzung zu spät oder nicht konsequent genug behandelt, kann die Heilung ausbleiben. Das Gelenk bleibt dann dauerhaft in Beugestellung. Auch bei der Operation ist es möglich, dass die Strecksehne nicht ausreichend heilt oder in Verlängerung mit Ausbildung einer breiten Narbe heilt, wodurch das Gelenk eine mehr oder weniger ausgeprägte Beugestellung zurückbehält. Bei einer Knochenbeteiligung und Operation kommt es sehr auf die Größe des abgesprengten Fragmentes an. Ist das Fragment zu klein und nicht mit einem Draht oder einer Schraube fassbar, ist es besser, das Fragment zu entfernen und die Strecksehne direkt wieder am Knochen zu fixieren. Ist das Fragment groß, so ist dies als Gelenkbruch zu sehen. Die glatte Wiederherstellung der Gelenkfläche durch exaktes Anlegen des Fragmentes ist dann oberstes Gebot, aber nicht immer einfach. Gelingt es nicht optimal, kann später ein frühzeitiger Gelenkverschleiß eintreten. Gelegentlich kann sich auch eine eingelegte Schraube lockern oder durch Druck auf die Haut von innen Beschwerden bereiten. Weitere Komplikationen bei der Operation sind die üblichen wie Blutung, Wundheilungsstörungen und Infektion.

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